Reisebericht Juni 2008 Santorin

Santorin ist ein Reiseziel, dass man zwar oft in der Werbung für Griechenland sieht, aber trotzdem gibt es dort viel zu entdecken. Trotz des Massentourismus gibt es immer noch Plätze, an denen man alleine ist und, die nicht in jedem Reiseführer zu finden sind.

Die einmalige, vulkanisch geprägte Landschaft mit ihrem großen Kraterkessel, der Kaldera von Santorin, zählt weltweit zu den interessantesten Zielen des Vulkanismus. Die landschaftliche Schönheit der Insel darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir eine relativ ruhige Epoche der Geologie unseres Planeten genießen. Nicht immer war Santorin dieser Kessel mit seinem tiefblauen, ruhigen Meer.

Um diese Geschichte und ihre Dramatik zu verstehen, muss man sich intensiv mit den verschiedenen Schichten beschäftigen, die durch viele Vulkanausbrüche die heutige Kaldera geschaffen haben. Spezialisten, wie professionelle Vulkanologen, können in den Lavafelsen der Insel erahnen, wie es in der Vergangenheit auf Santorin zu ging. Um alle Details zu verstehen, kann man jahrelang studieren und wissenschaftliche Bücher wälzen oder sich einer Wanderstudienreise anschließen, die von einem Kenner des Santorin-Vulkans geführt wird.  Tobias Schorr führt - wie hier in 2008 - Gäste regelmäßig zu den interessanten Stellen der Insel.

Tag 1: Ankunft der Gäste

Schon der erste Abend ist für Ingo und Tagmar eine große Überraschung, denn eigentlich hatten sie damit gerechnet, dass Tobias eine ganz kleine Gruppe mit ihnen alleine führen würde. Alles passt recht gut und zur Überraschung kommen noch Udo und Traude, zwei gute Freunde von Ingo und Tagmar am Flughafen Athen beim Umsteigen dazu. Ein guter Grund, in der Höhlentaverne von Nikos bei Margarita leckere santoriner Spezialitäten zu genießen. Ein guter Start einer unvergesslichen Reise! Das schöne Hotel, direkt am Meer, lässt jeden Zweifel verstummen und die Vorfreude auf die erste Tour ist groß.

Tag 2: Wanderung am "roten Strand" & Achate

Nach dem Frühstück am nächsten Tag geht es an der Küste von Akrotiri zum „roten Strand“. Dies ist ein im Sommer oft überfüllter Strand, der mehr und mehr dem Kommerz geopfert wird. Aber noch ist es einigermaßen ruhig und Tobias kann erklären, was es mit dem roten Gestein und dem auffällig rundlichem Hügel auf sich hat. Der Strand liegt vor einem ehemaligen Vulkanschlackenkegel, der in der Mitte auseinander geschnitten ist. Man kann noch gut den ehemaligen, nun felsigen Lavasee erkennen, der im Krater gekocht haben muss. In der bröckeligen Wand aus feinen Lavakörnern („Lapilli“) hängen Lavabomben, die bei Explosionen aus dem Krater flogen und eine aerodynamische Form annahmen.
Unten am Strand sucht Tobias nach kleinen Achaten. Er ist seit seiner Jugend eifriger Mineraliensammler und findet seltene Mineralien auch an Stellen, an denen sie keiner vermutet. Sein Blick ist nicht nur für seltene Steine geschärft. Gleich darauf entdeckt er einen gut erhaltenen Häutungsrest einer seltenen Schlange. Die sind auf Santorin extrem selten und ungiftig. Meist handelt es sich um die wunderschön gezeichnete Leopardnatter, die vom Aussterben bedroht ist. Der Weg führt bald an einem Steilhang entlang, der vor Urzeiten entstand, als die Gegend noch unter dem Meeresspiegel lag. Damals floss Lava unter dem Meer aus und hinterließ kissenförmige Ablagerungen („Pillow-Lava“), auf denen sich durch heiße, mineralreiche Lösungen Kieselsäureablagerungen sammelten. Achat und weißer Opal sind an vielen Stellen zu entdecken. Leider nicht in Edelsteinqualität oder viel zu klein für Tobias Sammelleidenschaft.

Bald geht’s über ein Feld, auf dem Pferde grasen und an der Kapelle Agia Markela vorbei. Auf einem Fahrweg spaziert die Gruppe bergauf. Am Rand gibt es interessante Schichten vulkanischer Asche und an einer Bimswand künstlich angelegte Höhlen. Kleine Trichter im Lavasand erregen die Aufmerksamkeit der Gäste. In ihnen spielen sich kleine Dramen ab, wenn mal wieder eine Ameise zu unvorsichtig war und in den kleinen Krater stürzte. Unten wartet gierig mit seinen Zangen der Ameisenlöwe, ein Insekt im Lavenstadium.
Bei einem dunkelgrünen Maulbeeraum entdeckt Tobias leckere, tiefrote Früchte. Diese Sorte ist an Aroma kaum zu übertreffen und alle versuchte vorsichtig die Beeren vom Baum zu pflücken. Leider sind diese eine „Fehlkonstruktion“ der Natur. Sie haben keine Sollbruchstelle und platsch hat man einen tiefroten Flecken auf der Kleidung und die Maulbeere zerplatzt. Die Hände sehen nach diesem kulinarischen Höhepunkt aus, als ob man ein blutiges Verbrechen begangen hat. Zum Glück haben sich alle nur an lecker süßen Beeren vergangen…

Auf dem Fahrweg geht’s zu einem Hügel, der vor Urzeiten durch eine aufsteigende Magmakammer gehoben wurde. Vorher war alles unter dem Meer. Auf dem Weg erkennt man an einigen Stellen kleine Lavaschlote und auch das rötlichbraune Dach dieser Magmakammer. Bei der Kapelle Taxiarches machen wir kurz Halt, um dort nach versteinerten Muscheln zu suchen, die im vulkanischen Tuff konserviert wurden. Leider hat ein Hund an der Kapelle ein Kaninchen gerissen und so hält es uns nicht lange dort. Da freuen wir uns lieber über die frische Luft und den Duft der Kapernbüsche, die wie tropische Blüten die Trockensteinmauern bedecken. Bald erreichen wir einen kleinen Bauernhof. Dort drischt ein Bauer mit einem Helfer den Weizen. Ein Anblick wie vor hundert Jahren! Auf dem runden Dreschplatz ist in der Mitte eine Achse und dort sind in der Reihe nach ihrer Größe drei kleine Esel und zwei Maultiere angebunden. Und sie laufen im Kreis über den Weizen. Ein Bild, das es vielleicht bald nicht mehr so zu sehen gibt, wenn diese Generation an Santorinern nicht mehr lebt.

Es geht bald über die Weinfelder weiter und immer wieder heben wir kleine, bläuliche Stücke calcedonüberzogener Lavastücke vom Boden. Auch diese Quarzverbindung wurde unterseeisch durch mineralreiche Thermen abgelagert. Auf den Feldern sieht man die, wie kleine Körbe am Boden gebundenen Reben. Im August ist dann Lese. Santorin-Wein sollte man vor Ort in typischen Tavernen genießen. Und da ist die Taverne von Kapitän Dimitris genau richtig. Ideal für eine erste Pause.
Später geht es weiter zum Kap Akrotiri mit einer Schlucht, über die in halsbrecherischer Weise ein Haus direkt an den Abbruchrand gebaut wurde. Es wird einem schon schwindlig, das aus sicherer Entfernung zu sehen. Wie man dafür eine Baugenehmigung erhält, ist ein Rätsel…
Nach zwanzig Minuten ist das Kap mit dem Leuchtturm von Akrotiri erreicht. Überall geht es steil zum Meer hinunter und auf einer kleinen Kuppe liegt blütenweißer Bims. Ein tolles Motiv mit dem Leuchtturm im Hintergrund. Auch geologisch gibt es viel zu sehen. Da ist der Bims, der ein durch explosive Gase zu Schaum aufgeblasenes Vulkangestein ist, Meeresablagerungen mit feinsten, fossilen Schwammnadeln, Reste von Lavaschloten und Asche. Der Leuchtturm ist auch ein beliebtes Ausflugsziel und so ist man hier selten allein. Alle paar Minuten kommen irgendwelche Motorräder oder Mietautos vorbei. Kaum einer der Besucher hat ein Auge für die geologischen Details, die Tobias erklärt.
Und auch die Aussicht ist grandios, denn man blickt tief in die Kaldera mit ihren hunderten Lava-Schichten. Und in der Mitte droht der jüngste Vulkan Griechenlands, der später noch besucht wird. Doch jetzt geht erst mal zu Kapitän Dimitris Taverne zurück. Dort gibt’s frischen Fisch, leckere Tomatenpuffer und den santoriner Bauernsalat mit viel Kapern. Der Durst wird mit leckerem Inselwein gelöscht und zum Nachtisch hat Barbara, die Frau von Dimitris eine leckere Süßigkeit aufgetischt. Normalerweise kommt kaum ein Gast auf die Idee, was da so tief orange auf dem Tellerchen serviert wird. Aber diesmal sind die Gäste kulinarisch besonders gebildet und finden schnell heraus, dass es eine Karottenmarmelade ist. Jede der urigen Familientavernen auf Santorin hat ihre Spezialität. Die eine macht schmackhaften Hammelbraten, die andere die besten Tomatokeftedes und die dritte leckeren Fisch. Nur darf man nicht dort hingehen, wo die Touristen-Massen sind.
Nach dem Essen geht es über die Felder wieder zurück nach Akrotiri und am leckeren Maulbeerbaum vorbei.

Tag 3: Bims, minoische Reste und Picknick in einer Bucht

Heute geht es nach dem Frühstück zu einem ehemaligen Bimssteinbruch, der bis in die siebziger Jahre in Betrieb war. Bims war eines der wichtigsten Produkte der Insel und wurde als Zusatzstoff für hydraulischen Zement auch für den Bau des Suez-Kanals verwendet.
Der Abstieg in den ehemaligen Steinbruch ist etwas steil, aber alle schaffen das ohne Probleme. In dem Meer aus Felsen, Sanddünen und bei Steilhängen kann Tobias viele geologische Details erklären. Es gibt zum Beispiel die Grenzschicht des minoischen Vulkanausbruchs im Jahr 1627 v.Chr. zu entdecken. Hier sieht man den ursprünglichen Boden und darüber bis zu 60 m hellweißen Bims. Genau in dieser dünnen Grenzschicht findet man Reste der ersten europäischen Hochkultur. Die Minoer waren eine Supermacht, die damals das Mittelmeer beherrschte und deren Kunst sich in den Ausgrabungen von Akrotiri dokumentiert.
Und auch diesmal klappte es! Ein kleines Messerchen aus Obsidian wird gefunden. Ein tolles Gefühl, etwas in den Händen zu halten, das vor 4000 Jahren ein wichtiges Werkzeug war. Und weitere Entdeckungen folgen. Es gibt eine Stelle, an der man auf dem Boden weiße Verästelungen erkennt. Dies sind fossile Wurzeln, die irgendwann von vulkanischer Asche bedeckt wurden. Eine der Sehenswürdigkeiten ist die bis zu 40 m hohe Wand aus dem Bims der minoischen Eruption. In ihr kann man auch größere Felsen entdecken, die bei dem Ausbruch um 1627 v.Chr. aus dem Krater geschossen wurden. Dass diese vulkanischen Bomben noch heute gefährlich werden können, erleben wir einige Minuten später, als wir die Felswand verlassen haben. Einer der Felsen löst sich aus der Felswand, unter der wir Minuten vorher standen und kracht in die Tiefe. Wir haben großes Glück gehabt und in Zukunft wird da keine Gruppe mehr in direkte Nähe gebracht. Erst, als wir abends wieder im Hotel sind und Tobias ins Internet kommt, erfährt er, dass es an diesem Tag ein Erdbeben gab und deshalb wohl auch der Felsbrocken locker wurde. Die Wanderung führt die Gruppe über ein paar Felder und bald zu einem kleinen Plateau. Dort wartet schon einen nette Frau, in deren Supermarkt Tobias vorher Zutaten für ein Picknick bestellt hatte. So nimmt sich jeder eine Tüte, denn in einer Bucht wird es später ein leckeres Mittagessen geben.
Gleich geht der kleine Pfad in die Tiefe, führt durch einen tiefen Hohlweg im Bims und erreicht eine kleine Kapelle. Vorher bestaunen alle ein natürliches Fenster, das der Wind aus dem lockeren Bims geblasen hat. Hier hat man einen eingerahmten Blick der Kaldera von Santorin. Durch die zahllosen Asche- und Lavaschichten geht es immer tiefer in die Kaldera hinab. Bald erreicht die Gruppe einen Punkt, an dem man die ältesten Gesteine der Insel Santorin bestaunt. Uralte Glimmerschiefer und Kalk waren schon viele Millionen Jahre vor den ersten Vulkanen hier. Allmählich hat man einen Blick auf Terrassenfelder, die bis vor wenigen Jahren mit Weizen, Gemüse und Fava-Erbsen bebaut wurden. Es gibt ein paar runde Dreschplätze und sogar eine Palme. Unten an der Felsküste stehen ein paar einsame Häuschen und in den steilen Fels ist eine weitere Kapelle gebaut. Das ist das Ziel. Unter einem der Häuschen gibt es eine bedachte Terrasse und einen Tisch. Dort bereiten wir unser Picknick vor. Es gibt kretischen Zwieback, den man vor dem Genuss mit Wasser aufweicht, Tomatensalat mit viel Kapern und natürlich typischen Wein aus Santorin.
Bis vor wenigen Jahren trafen Tobias und sein ehemaliger Geschäftspartner Tom Pfeiffer hier noch Katerina und ihren Mann Parthenios. Sie bereiteten immer leckere Spezialitäten zu, wenn Tom und Tobias mit ihren Wandergruppen hier Pause machten. Leider starb vor wenigen Jahren Parthenios und so ist auch das Geschichte. Trotzdem ist jeder Ausflug in diese wenig bekannte Ecke der Insel Santorin weiterhin ein Höhepunkt der Santorin-Wanderstudienreisen. Auch dieses Mal genießt jeder die Ruhe und das kristallklare Wasser ist ideal, um sich von der Wanderung zu erfrischen. Später geht es noch in die kleine Bucht, in der Parthenios ein kleines Bad eingerichtet hat. In ihm fließt warmes Thermalwasser in ein kleines Becken. Daneben kann man sogar Kupfermineralien wie Malachit entdecken, die einige der Felsen überziehen. Mineralogisch ist diese Gegend sehr interessant, denn in den ältesten Gesteinen Santorins gibt es sehr seltene Talk-Vorkommen und man muss aufpassen, wohin man tritt. Talk ist ein Schmiermittel und schnell ist man auf einer Talk-Ader ausgerutscht. In der minoischen Zeit bekamen wertvolle Vasen durch Talk einen weißen Überzug. Noch heute kann man einige davon im neuen, archäologischen Museum in Thira besichtigen.
Gegen Nachmittag wird ein kleiner, orange Punkt auf dem Meer gesichtet. Es ist Sostis, ein Freund von Tobias, der die Gruppe von der abgelegenen Küste abholt. Er ist der einzige, der sich traut, mit seinem Boot an der Felsenküste anzulegen. Bald geht es los und er tuckert an der Küste entlang. Jetzt kann man viele Lavaschichten der Kalderawand und alte Fördertürme der Bimsgewinnung aus der Nähe betrachten. An einem Strand bei Akrotiri legt er an und Tagmar, Traude, Ingo, Udo und Tobias machen eine Pause in der Taverne Katerina in der Amouthi-Bucht. Später geht’s hoch zum Dorf Akrotiri und zum Hotel zurück.

Tag 4: Die berühmte Wanderung an der Kaldera

Tobias Schorrs Lieblingswanderung startet im Hauptort der Insel Santorin. Thira ist das wichtigste Touristen-Ziel. Und das merkt die Gruppe gleich beim Ausstieg am Busplatz. Mengen an Touristen drängen sich durch die Gassen und werden von windigen Reiseleitern in die Juweliergeschäfte geleitet. Tobias und seine Gäste ziehen da das neue archäologische Museum vor. In ihm gibt es gleich am Anfang einige interessante, geologische Schätze. Vor einigen Jahren hat man in einem Steinbruch bei Thira versteinerte Abdrücke von Palmen, Oliven und Myrteblättern in ca. 30.000 – 60.000 Jahre alten Ascheschichten entdeckt. Sogar Parasiten konnte man noch auf Olivenblättern feststellen! Weiter geht es an einer Vitrine mit sogenannten Kykladen-Idolen, kleine, einfache figürliche Darstellungen von Göttergestalten. Diese kleinen Marmor-Figuren sind schon in der Zeit vor 2500 v.Chr. ein künstlerisches Zeugnis der Ureinwohner von Santorin. Tobias zieht es besonders zu einer Vitrine, in der man minoische Opfergefäße in Form von Schweineköpfen ausstellt. Ähnliche Gefäße hat man auf Tobias ehemaliger Wahlheimat Methana aus mykenischer Zeit (ca. 1600-1200 v.Chr.) entdeckt. Ein deutliches Zeichen, wie sehr die beiden konkurrierenden Kulturen Griechenlands Ähnlichkeiten haben. Und später, nach dem Sieg des Theseus über den König Minos auf Kreta, übernahmen die Festlandsbewohner der Peloponnes, die Mykener die Macht über das Mittelmeer und seine Nachbarregionen.
Neben den wunderschönen, minoischen Wandmalereien führt Tobias die Gruppe am Ausgang des Museums noch zu einem sensationellen Fund der letzten Jahre. Man hatte in den Ausgrabungen in Akrotiri einen kleinen Widder aus purem Gold gefunden – einer der wenigen, Gold-Funde. Die meisten Wertgegenstände hatten die Bewohner der vorgeschichtlichen Stadt bei ihrer Flucht vor dem Vulkan mit sich genommen.
Ein weiteres interessantes Museum ist das, das die Rekonstruktionen der minoischen Wandmalereien zeigt. Dazu geht es erst mal durch die Masse, die aus den Kreuzfahrtschiffen nach oben in die Shop-Gasse geleitet wird. Pro Tag können 3-6 riesige Kreuzfahrtschiffe ihre menschliche Ladung hier ausspucken. Eine Masse konsumwütiger, wenig informierter Gäste wird in Läden gelotst, mit denen die jeweiligen Reiseleiter Verträge haben. Die Zeche zahlt der Gast. In Thira merkt man das am Preisniveau. Da kann ein einfacher Filterkaffee schon mal das Doppelte von Athen kosten. Tobias kennt das und wandert mit den vier Gästen zielstrebig an der überfüllten Seilbahnstation vorbei. Es wird etwas steiler und schon ebbt der Strom der Touristen ab. Jetzt trifft man fast nur noch auf Leute, die entweder auf Santorin im Hotel wohnen, Wanderer und Einheimische. Bald ist das rötliche Gebäude erreicht, dass ein reicher Reeder der Insel als Konferenz- und Ausstellungsgebäude vermacht hat. Dort hat man vor einigen Jahren eine Ausstellung der minoischen Wandmalereien eröffnet. Natürlich sind es keine Originale. Die sind zum Hauptteil im Nationalmuseum in Athen. Aber mit einer speziellen Fototechnik der Firma Kodak hat man Fotoreproduktionen der Malereien auf einem speziellen Fotomaterial gemacht. Dabei lässt sich die Fotoschicht später auf eine dreidimensionale Unterlage übertragen und eine fast naturgetreue Reproduktion entsteht. So nahe kommt man den Originalen im Nationalmuseum in Athen nicht. Und viele der Gemälde sind auch nirgends ausgestellt. Leider sieht man auch, das die 3D-Foto-Rekonstruktionen deutliche Risse bekommen haben. War vor 20 Jahren Standard der Fototechnik... Heute zeigt sich, dass die konventionellen Fotomaterialien eben doch nicht für die Dauer geschaffen waren.
Bevor alle die Ausstellung verlassen, bleibt noch ein Blick auf Fotos, die bei den Ausgrabungen in Akrotiri um 1970 gemacht wurden.
Bald geht es auf dem Kalderaweg weiter nach Firostefani mit seinen Luxushotels an der steilen Kalderawand. Nach Imerovgli sind die Wanderer dann unter sich und genießen den Blick auf den meergefüllten Kraterkessel von Santorin. Am Wegrand duftet Thymian und irgendwo hat ein Bauer ein Maultier geparkt. Nach etwa einer halben Stunde erreichen Udo, Ingo, Tagmar, Traude und Tobias den Gipfel des kleinen Vulkans Profitis Ilias mit einer hübschen Kapelle. Dort werden wegen der großartigen Lage viele Hochzeiten gefeiert. Quasi „Hochzeit auf dem Vulkan“, denn hier war vor mehr als 60.000 Jahren der Gipfel eines Kraters. Heute ist die Hälfte davon im Meer versunken. Inzwischen hat man den Wanderweg mit einem Steinplattenweg aufwändig erneuert und quasi eine „Wanderautobahn“ geschaffen. Gar nicht so schlecht, denn nun hat man mehr Möglichkeiten die Landschaft zu genießen und muss nicht dauernd aufpassen, wohin man tritt. In der Mitte dieser Wanderroute befindet sich an der Strasse ein kleiner Wohnwagen, den Pavlos zu einem Café umgebaut hat. Er lebt dort fast das ganze Jahr über und bietet frischen Orangensaft und selbstgemachten Nusskuchen an. Immer ein idealer Zwischenstopp!
Danach hat man wieder genug Energie, um die Vulkane Mavro Vouno und Kokkino Vouno zu besteigen. Bis zu ihnen sind es nur ein paar hundert Meter. Tobias schaut mit scharfem Blick die Steinmauern am Wegrand an, denn vor einem Jahr hat er dort ein seltenes Stück Skarngestein mit großen, grünen Pyroxenkristallen gefunden. Ein extrem seltener Fund auf Santorin! Skarn ist etwas ganz Besonderes, denn er entsteht, wenn ein Kalkfelsen in eine Magmakammer gerät. Dort wird er unter hohem Druck und hohen Temperaturen zu diesem hellgelben, körnigen Gestein umkristallisiert, das dann reich an Granat, Pyroxen oder anderen seltenen Mineralien ist. Tobias Schorr findet auf fast jeder Wanderstudienreise seltene Mineralien, archäologische Fundstücke oder seltene Pflanzen. Als Mineraliensammler hat er schon früh seine Augen für die feinsten Details trainiert. Er geht mit seinen Gästen zur Kapelle Zoodohos Pigis (griech. = „lebensspendende Quelle“), macht ein paar Fotos und dann führt er die Wanderer zu einer Stelle, an der er immer wieder archäologische Reste aus minoischer und klassischer Zeit entdeckt. Meist sind es Scherben mit Linien oder einfachen Verzierungen. Bein einer vorherigen Santorin-Tour entdeckte ein 16 Jähriges Mädchen eine Scherbe mit einem Tänzer auf einer schwarzfigurigen Scherbe aus der Zeit um 700 v.Chr. Alle diese Entdeckungen bezeugen, dass auf und um den Gipfel des Mavro Vouno in antiker und vorgeschichtlicher Zeit Heiligtümer gewesen sein müssen. Vielleicht würden systematische Ausgrabungen hier neue Erkenntnisse über die Besiedlungsgeschichte Santorins bringen…
Vom Mavro Vouno genießt man auch eine wunderschöne Aussicht. Unter ihm erstreckt sich in nördlicher Richtung das schönste Dorf Santorins. Ia ist auf allen Postkarten zu finden. Und von hier oben hat man einen tollen Blick auf den Sonnenuntergang. Kurz davor erreicht die Gruppe die Windmühle von Ia und bei Spyros und seiner Familie erholen sich alle bei leckeren Souvlaki-Spießen und einem Glas Mythos-Bier von den Strapazen im Hotel Anemomilos.

Tag 5: Bootsfahrt mit Sostis zu den Vulkaninseln

Ganz früh am Morgen trifft sich die Gruppe mit Sostis in der Bucht Amouthi unterhalb von Ia. Sein Boot ist ideal für jedes Wetter und man hat sogar ein Sonnendach für heiße Tage. Es geht direkt in die Mitte der Kaldera. Dort ist die jüngste Vulkaninsel Griechenlands das Ziel. Vor den Touristenmassen anzukommen ist ein Highlight, denn so kann Tobias die Gruppe in Ruhe zu allen interessanten Punkten führen. Im kleinen Hafen der Insel legt Sostis an und es geht steil einen Lavapfad bergauf. Das erste Ziel ist der Krater, der im 15 Jahrhundert als erster die Insel Mikri Kameni bildete, dann geht es an dem Explosionskrater Daphni vorbei und zum Georgios-Krater. Dort steigt Tobias in den ehemaligen Krater und bringt ein Stück kristallinem Schwefel von den Fumarolen mit. An diesen heißen Gasaustritten wächst Schwefel in einer Form, die Schneekristallen ähnelt. Etwa 50 Meter davon befindet sich der Austrittspunkt der Lava von 1950 – ein Meer aus tiefschwarzen, schuppigen Lavafelsen. Ein Krater ist nicht erkennbar. Vom höchsten Punkt der Insel Nea Kameni gibt es einen Blick auf die etwas ältere Vulkaninsel, die zum ersten Mal 46 n.Chr. an die Meeresoberfläche gelang und heute Palea Kameni genannt wird. Sie ist später das Ziel für eine längere Pause. Davor geht’s zum Boot zurück und Sostis fährt in eine abgelegene, enge Bucht der Insel Nea Kameni. Gar nicht so leicht, da mit dem Boot einzufahren. Aber der Kapitän ist das gewohnt. Dort hat Sosti eine Anlegestelle gebaut, an der er Massagen und Meditation anbietet. Er macht das Boot fest und, wer will, springt ins Wasser. Denn überall ist der rötlichbraune Boden mit warmen Gasaustritten bedeckt. Und der eisenhaltige Schlamm ist ein ideales Hautpflegemittel. Tagmar, Traude, Ingo und Udo genießen die warmen Quellen und ohne Hast kann man sich hier erholen. Nach einer Stunde hat jeder genug und es geht rüber zur Hausinsel von Sostis. Er ist quasi der einzige Vulkanbesitzer Griechenlands und auch der einzige menschliche Bewohner von Palea Kameni. Ganz alleine ist er nicht und bei Ankunft in seinem Hafen grüßt schon mit lautem Bellen Sokrates. Sein Hund ist trotz Leibesfülle noch als Schäferhund erkennbar. Er freut sich über die seltenen Besucher. Über eine Treppe geht es zu einer kleinen Bucht, an der Sosti ein Häuschen mit einem Schattendach gebaut hat. Auch dort gibt es Thermalquellen, aber alle haben erst mal genug vom Heilwasser. Auf dem Tisch gibt’s mitgebrachte Tomaten, Zwieback und Sostis selbstgemachten Ziegenkäse. Dazu wird Sostis leckerer Hauswein gereicht. Ab und zu wird die Stille von herabfallenden, schieferartigen Lavastücken unterbrochen. Sostis verlässt die Gruppe, denn seine Ziegen kommen zurück und wollen frisches Wasser. Man staunt, an welchen steilen Felsen die Ziegen herabsteigen. Wie Akrobaten springen sie von Fels zu Fels.
Inzwischen hört man ein Touristenschiff, auf dem die Reiseleiterin über Lautsprecher Informationen über die Bucht mit den Thermen herunterleiert. Hier können die Touristen dann mal schnell schwimmen. Die „heißen“ Thermalquellen sind ihr Ziel. Ein Dutzend neugieriger Leute springt ins Wasser und es gibt einen Wettkampf, wer zu erst in der roten Bucht ist. Die Ruhe am Picknickplatz ist dahin und Tobias lästert mit seiner Gruppe über die gehetzten Massen, die nun das klare Wasser in eine rötliche Brühe verwandeln. Schon nach wenigen Minuten werden die hektischen Besucher per Trillerpfeife oder Schiffshorn zurückgeholt. Es dauert kaum zwanzig Minuten und das nächste Ausflugsboot kommt in der Bucht an und das Schauspiel wiederholt sich.
Tobias und seine vier Gäste begreifen, dass ihre Tour im Gegensatz zu diesen Massenausflügen ein ganz exklusives Erlebnis ohne Hektik ist.
Sie haben viel Zeit, um Palea Kameni zu erkunden und als nächstes zeigt ihnen Tobias den Kratersee eines Vulkanausbruchs um 1700 n.Chr. Im tiefgrünen Kratersee will Sostis Langusten ausgesetzt haben. Ob sie im schwefelhaltigen, trüben Wasser überlebt haben, ist ein begründeter Zweifel.
Der Vulkanausbruch dieses Kraters muss damals Asche bis nach Kleinasien getrieben haben und auch in Zukunft sind Vulkanausbrüche auf Nea Kameni und auf Palea Kameni möglich. Ob sich Sostis dieser Gefahr wirklich bewusst ist? Jederzeit kann das kleine Paradies, das er geschaffen hat, zerstört werden. Zumindest lässt ihn die griechische Bürokratie bisher ohne Probleme auf dieser einsamen Insel leben. Er hat dort Gärten, Zisternen und kleine Häuschen gebaut. In einem lebt er an dem kleinen Naturhafen und träumt davon eine nette Touristin kennenzulernen, die mit ihm auf seinem Vulkan leben möchte…
Am späten Nachmittag geht’s nach Ia zurück und am Abend erinnern sich alle bei leckerem Wein und Tomatokeftedes an den tollen Ausflug.

Tag 6: Das Dorf Pyrgos und die antike Stadt Thera

Pyrgos ist ein Dorf, das wie eine Burg auf einer Bergspitze über Santorin thront. Und tatsächlich war der oberste Teil des Ortes früher eine Schutzfestung, in der sich die Bewohner bei Seeräubergefahr flüchten konnten. Durch die kleinen Gassen geht’s aufwärts und oben zeigt Tobias ein paar Mauerreste, die eindeutig bezeugen, dass auf dem Gipfel auch in antiker Zeit Gebäude gewesen sein müssen. Die kunstvoll behauenen Marmorsteine und ein paar Säulenreste sind der Beweis. In Griechenland ist das eigentlich normal, dass auf einem Berggipfel immer ein Tempel oder eine Festung (Akropolis) lag. Auf dieser Wanderung wird der Reiseleiter noch viele antiken Reste vorstellen und auf dem Wanderweg treffen alle erst einmal auf eine uralte Tradition der Santoriner.
Zwei Bauern stehen auf einem runden Dreschplatz und trennen das Korn von der Spreu. In diesem Fall ist es kein Weizen, sondern die gelben Erbsen, die hier auch Fava genannt werden. Sie hat man als verkohlte Reste schon in den minoischen Trümmern von Akrotiri gefunden. Also wird diese Erbsenart schon mehr als 4000 Jahre genutzt. Und abends ist das immer eine wohlschmeckende und gesunde Beilage, wenn der gelbe Erbsenbrei mit Olivenöl und Zwiebeln gereicht wird. Nachdem Tobias ein paar Minuten mit den Bauern über diese wertvolle Tradition gesprochen hat, geht’s bergauf weiter und an einem ehemaligen Kloster vorbei.
Am Wegrand gibt es bis zu 2 m hohes Steckenkraut, wilden Fenchel und Thymianbüsche. Heute hängen die Wolken tief und so ist der Geruch der Wildkräuter sehr stark. Es geht immer weiter hoch, bis die Strasse zum höchsten Gipfel der Insel erreicht ist. Dort gibt es ein Kloster und einen neuen Klostergarten mit einer kleinen, schönen Kapelle. In einem offenen Laden kann man sich Likörwein und religiöse Literatur kaufen und hinterlässt das verlangte Geld einfach in einem Holzschlitz. Toll, welches Vertrauen die Mönche des nahen Klosters in ihre Besucher investieren!
Hinter dem Kloster steht eine hässliche Radarstation der griechischen Luftwaffe und kurz vor ihr geht es an einem steilen Hang weiter. Im Frühling gibt es hier seltene Orchideen und sogar Edelweiß. Nach etwa 100 Metern hat Tobias ein Rätsel für seine vier Gäste. Irgendetwas sollen sie auf einem Felsen vor ihm erkennen. Gar nicht so einfach, denn dort kann man nur bei genauem Hinsehen einen Fuß erkennen, der wohl in antiker Zeit in einem Marmorfelsen eingemeißelt wurde.
Auf einem Pfad geht es durch einen winzigen Pinienwald, über eine Bimshalde und dann zick-zack auf einem Kurvigen Weg bergab. Auf der anderen Seite kann man schon von weitem den Hügel Sellada erkennen, auf dem die antike Stadt Thera erbaut wurde. Bis dahin sind es noch etwa zwanzig Minuten und erst mal bestaunen die Gäste ein geologisches Detail, das nur ein Kenner wirklich begreift. Eine riesige Felswand ist wie mit dem Messer geschnitten und fast glatt. Hier kommt Tobias zum Einsatz und erklärt, dass es sich um einen Grabenbruch handelt. Das bedeutet, dass hier in der Umgebung ein Teil des Berges in die Tiefe gerutscht ist. Wahrscheinlich bei einem großen Erdbeben. Auch gegenüber am Eingang zur Akropolis können die Gäste das erkennen. Ein Stück „lebendiger“ Tektonik. Und jeder versteht schnell, wieso es in Griechenland so viele Erdbeben gibt. Da versinkt nämlich ein Teil der nordafrikanischen Platte unter Europa. Das geschieht im Tiefseegraben südlich von Kreta. Die aufgeschmolzenen Gesteine steigen dann in einer ringförmigen Zone nördlich der Insel Kreta in Form von Magmablasen und Vulkanen (Methana, Milos, Santorin und Nisyros sind aktive Vulkane) wieder an die Erdoberfläche. Und diese Kräfte erzeugen Spannungen und Risse in der Erdkruste, die sich immer wieder in verheerenden Erdbeben äußern.
Am Weg, der auf den Gipfel der antiken Stadt Thera führt, liegt das Artemidoros-Heiligtum, das jetzt am Morgen in idealem Licht liegt. In den Kalkstein sind mehrere große Reliefs gemeißelt. Diese symbolisieren wichtige antike Gottheiten: Ein Delfin für den Gott des Meeres, Poseidon. Ein Löwe, der den Gott Apollon darstellt und ein Adler, der den Göttervater Zeus verkörpert. Neben allem ist ein Portrait des Feldherren Artemidoros zu sehen. Dieser Platz gehört zu den schönsten antiken Stätten Griechenlands. Weiter oben spaziert Tobias mit den Gästen durch den ehemaligen Markt mit seinen Geschäften und kommt dann zum kleinen Amphitheater. Es ist schön zu sehen, dass man versucht, die Ausgrabungsstätte zu erhalten und manche Gebäude teilweise zu rekonstruieren. Die Atmosphäre auf diesem Gipfel ist beeindruckend. Man blickt über die Insel, erkennt die Strände von Kamari und Perisa und kann ab und zu beobachten, wie ein Jet auf dem kleinen Flugplatz der Insel landet.
Irgendwann steigt die Gruppe in Richtung Perisa hinunter. Vorher zeigt Tobias noch eine Stelle, an der man vor ein paar Jahren eine riesige, antike Statue "Kouros" gefunden hat. Unten in Perisa erholen sich alle am tiefschwarzen Strand und genießen das Bad in der klaren Ägäis.

Tag 7: Wanderung durch Bims-Felsen und zu antiken Resten

An einem schönen Juni-Morgen geht es mit dem Bus einen Kilometer weit. Irgendwo steigt Tobias mit seinen Gästen aus und es geht über Weinfelder zur Kapelle Agia Anna. Sie gibt ein ideales Fotomotiv ab. Daneben steht ein kleines Feldhaus, dessen Grundmauern auch hier auf antike Reste schließen lassen. Aber das ist heute nicht sehenswürdig. An einem kleinen Maulbeerbaum gibt es wieder Kalorien für die Wanderung. Man lässt sich die roten Beeren schmecken. Heute folgt die Route einem kleinen Bachtal, das bis vor zwei Jahren eine tief eingeschnittene Schlucht war. Leider kam einer auf die Idee, mit dem Bulldozer einen Zugang zum Meer zu schieben. Trotzdem ist die Route interessant für einen Ausflug. Denn es geht durch hohe Bimsfelsen und an einer Stelle gibt es die minoische Grenzschicht, wo gleich eine Obsidianscherbe gefunden wird. Dieses vulkanische Glas gibt es nicht auf Santorin. Es muss also in vorgeschichtlicher Zeit auf dem Seeweg von der Insel Milos hierhergebracht worden sein. Obsidian entsteht übrigens, wenn siliziumreiche Lava extrem schnell abkühlt.
In der kleinen Schlucht rennen Eidechsen panikartig in alle Richtungen, wenn sich die Gruppe ihnen zu sehr nähert. Nach einigen Minuten öffnet sich die Schlucht und das Meer ist erreicht. Die Südküste bei Akrotiri ist ein Geheimtipp. Hier ist man fast immer alleine und der feine Sand ist ideal zum Liegen. Nur, wenn man ins Meer zum Baden geht, muss man vorsichtig sein. Die ersten Meter sind steinig.
Die Felsen an diesem Strand sind einmalig. Sie bestehen aus bis zu 20 Meter hohen Bimsfelsen, die vom Wind und Regen bizarre Formen erhalten haben. Es gibt sogar kleine Bögen aus Bims. Ein sehr fragiles Gebilde. Deswegen sollte man sich nicht direkt unter diese Felswände zum Sonnen legen. Es kann schon passieren, dass so ein Fels in sich zusammenbricht. Für Fotografen ist hier viel geboten und sämtliche Formen sind mit etwas Phantasie zu erkennen.
Auf manchen Dünen glitzert schwarzmetallischer Sand aus Magnetit-Kristallen. Mit der Lupe kann man diverse Schwermineralien im Sand erkennen. Alles Reste, die aus dem lockeren Bims gewaschen wurden. Nach etwa einer halben Stunde ist der neue Fischerhafen von Vlyhada erreicht und auf einer kleinen Strasse geht es ein paar Minuten weiter, bis ein Feldweg links abzweigt. Bald ist ein einzelnes Haus erreicht, hinter dem man ein paar antike Gräber findet. Eines ist wie ein kleiner, antiker Tempel gestaltet und daneben ist ein großer Sarkophag in den Felsen gemeißelt. Hierher verirren sich nur wenig Reisende. Und die Gruppe entdeckt schnell noch ein ganz besonderes Detail: Über einen Felsen schlängelt sich eine meterlange, aus den Fels gehauene Schlange! Bald geht es durch Felder, auf denen die leckeren, kleinen Santorin-Tomaten wachsen. Nur ein paar hundert Meter und der schwarze Strand von Perisa ist erreicht.

Tag 8: Bootsfahrt in der Kaldera und nach Thirasia

Eine der interessantesten Touren ist eine Fahrt mit einem Boot entlang der Kaldera. Und die besten Plätze sind vorne auf Sostis Boot. Von Akrotiri fährt unser Kapitän an der Außenseite von Palea Kameni direkt zur Nachbarinsel Thirasia. Dort gibt es am Kap gleich viel zu sehen. Dort, wo nur wenig Landmasse vorhanden ist, hat sich das Meer ein kleines Tor durch die Lavaschichten gefressen. Ein toller Anblick zwischen den roten und schwarzen Gesteinsschichten! In dem kristallklaren Wasser kann man auch am Grund interessante Strukturen und immer wieder Fische beobachten. Bald kommen Felsen in Sicht, die wie Rosen erscheinen. Sie sind wohl durch Abkühlungseffekte der heißen Lava entstanden. Man fährt quasi durch den Querschnitt vieler vulkanischer Ereignisse, die die Insel Santorin gebildet haben. Die Kaldera von Santorin hat eine lange Geschichte hinter sich. Die ersten Vulkane brachen vor einer Million Jahre unterseeisch aus. Langsam erst erhoben sie sich über die Meeresoberfläche. Dann gab es wieder Ruhephasen mehrerer Tausend Jahre und dann bildeten sich große Schichtvulkane z.B. im Nordwesten des Archipels. Langsam wuchsen mehrere Vulkane zusammen, bis es wieder gigantische Explosionen gab, die Vorgänger der heutigen Kaldera bildeten. Es war ein Prozess von Zerstörung und Wiederaufbau. Dabei lagerten sich hunderte Lavaschichten ab, in denen man heute die Charakteristik des Vulkangebiets Santorin studieren kann. Auch, wenn momentan Ruhe herrscht, so liegt der letzte Ausbruch auf der Insel Nea Kameni erst ca. 58 Jahre zurück. Und, dass Santorin in Zukunft wieder Vulkanausbrüche haben wird, ist so sicher, wie das „Amen“ in der Kirche! Wann, weiß keiner. Aber es wird kommen. Und keiner kann heute schon sagen, ob es wieder ein harmloser Ausbruch wie 1950 sein wird, oder ob es eine größere Katastrophe wird.
Auf der Bootsfahrt kann man sich klar werden, welche Dimensionen die Vulkane der Region haben. Und unter den Felsen, die über dem Boot vorbeiziehen, fühlt man sich recht klein. Das Boot tuckert schön langsam an der Küste entlang, damit Tobias die geologischen Details erklären kann. Nach einer Weile kommen in den Fels gegrabene Bootsschuppen ins Bild und der kleine Hafen Korfos ist erreicht. Dort legt Sostis an einem der Restaurants an, in dem später die Ausflugsboote anlegen, die die Gruppe schon auf Palea Kameni beobachten konnte. Mit dieser Vorahnung im Kopf, sucht die Gruppe das Weite und steigt die Treppen zum Hauptort der Insel Thirasia hinauf. Die harte Beinarbeit wird durch eine klasse Aussicht auf den Kraterkessel Santorins belohnt. Oben in Manolas gibt es erst mal eine Stärkung in einer Taverne, die wie ein Balkon über die Kalderaränder ragt.
Später geht es durch die pittoresken Gassen mit ihren schönen, farbenprächtigen Häusern. Hier in Manolas leben viele Kapitänsfamilien. An jeder Ecke ein Fotomotiv und besonders die Dorfkirche Agios Johannis lässt die Kameras klicken. Bald geht’s bergauf zur Kirche Agios Charalambos, die Tobias mit der Gruppe besichtigt. Ingo und Tobias wagen einen Blick ins Gebeinhaus, in dem die sterblichen Überreste ganzer Familien in sorgfältig polierten und geschmückten Blech- und Holzkisten liegen. Auf Thirasia gibt es einige sehr schöne Kirchen, die nur selten von ausländischen Gästen besucht werden. Die Insel Thirasia lässt erahnen, wie Santorin vor dem Ansturm des Tourismus in den siebziger Jahren ausgesehen haben muss. Damals gab es außer Weinanbau, Seefahrt und die Bimssteinbrüche kaum Einnahmequellen für die Bevölkerung und die Insel war sehr arm. Dann kam 1956 noch das schwere Erdbeben dazu, das fast alle Dörfer zerstörte und dessen Spuren auch heute noch an ein paar Stellen zu sehen sind.
Welche Kraft Erdbeben und Vulkanausbrüche entwickeln zeigt Tobias an Hand eines Felsens, der unterhalb einer wunderschönen Kapelle auf dem lockeren Bims liegt. Sein Gewicht dürfte so um die 3-4 Tonnen liegen und er wurde bei der Minoischen Vulkan-Explosion kilometerweit in die Luft geschossen. Eine Energie, die der Kraft hunderter Atombomben entsprach wurde frei. Solche riesigen Felsen sind über die ganze Region verstreut und selbst auf entfernten Inseln wie z.B. Folegandros und Ios fand man Felsbrocken aus Santorin…
Auf dem Rückweg zum Hafen trifft die Gruppe auf die Ausflugsboote und deren Gäste. Und Sostis wartet schon auf Tobias, Ingo, Udo, Traude und Tagmar. Schnell verlässt er den Hafen Korfos und fährt an einer der schönsten Basalt-Rosen vorbei nach Ia.
Sich Ia vom Meer zu nähern ist etwas ganz Besonderes. Oben kleben an den roten Lavafelsen die weißen Häuser und man sieht die schönsten Kirchen. An der kleinen Insel Agios Nikolaos geht’s vorbei, man sieht die Anlegestelle des Hafens Armeni und schnell entdeckt die Gruppe ein kleines Häuschen an der Küste, zu dem Rohre führen. Tobias erklärt, dass dies die Ansaugrohre für die Meerwasserentsalzungsanlage oben in Ia sind. Es gibt nur geringe Süßwasserresourcen und so hat ein reicher Exil-Santoriner der Insel diese Einrichtung geschenkt. Trotzdem bleibt Wasser ein Problem. In Tanklastern wird das nicht sehr wohlschmeckende Wasser teuer an Hotels und Privatleute geliefert. Im Vulkangestein versickert Regenwasser sehr schnell und außer im Kalkfels des Profitis Ilias gibt es keine natürlichen Süßwasserquellen.
Inzwischen erreicht das Boot die interessantesten Stellen im Inneren der Kaldera. Unterhalb der Vulkane Mavro Vouno und kleiner Profitis Ilias gibt es zahlreiche tiefschwarze Gänge, die senkrecht die Lavaschichten durchschlagen haben. Es sind ehemalige Schlote und Fördergänge von Vulkanen. Manchmal sieht man, wie das Nebengestein durch die Hitze gebrannt wurde und ein rötlicher Saum entstand. Jetzt ist auch die engste Stelle der Insel erreicht. Hier ist man wieder auf der Störungszone, auf der alle aktiven Vulkane des Santorinarchipels liegen. Und einen Vulkan sieht man gar nicht. Er liegt außerhalb der Kaldera in einer Tiefe von 14-150 m unter dem Meer. Und er hatte es in sich. 1640 n.Chr. hatte er eine Eruption, bei der giftige Gase an der Küste bei Kamari und Ia viele Tiere tötete. Erst vor ein paar Jahren wurde der Grund des Vulkans mit einem Tiefseeboot erkundet und heiße Gasaustritte fotografiert. Der Grund ist mit einem Teppich schwefelverzehrender Mikroben besiedelt.
Die Störung ist auch innerhalb der Kaldera weiterhin gefährlich. Schon vor zigtausenden Jahren brach ein ganzer Teil des Kleinen-Profitis-Ilias-Vulkans ab und rutschte ins Meer. Gerade an dieser Stelle hat jemand erst vor kurzem eine Villa gebaut. Kein sehr sicherer Baugrund. Aber, wer auf Santorin an der Kaldera baut, muss die geologischen Gefahren verdrängen. Jederzeit kann ein schweres Erdbeben alles zerstören.
Minuten später fährt Sostis am Skaros-Felsen vorbei. Tobias erklärt der Gruppe, dass dies der Rest eines riesigen Schildvulkans ist, dessen Grenze man an den Kalderwänden an Hand der Schichtung erkennen kann. Es gibt noch alte Zeichnungen aus dem 17 Jahrhundert, die zeigen, dass auf dem Felsen Kirchen und Häuser standen. Sie sind alle in Folge von Erdbeben ins Meer gebröckelt. Inzwischen hat das Bot den Hauptort Thira erreicht und fährt zwischen riesigen Kreuzfahrtschiffen hindurch. Es geht an den langsam verrostenden Verladerutschen der Bimssteinbrüche vorbei, dann kommt der Strand von Thermia ins Auge und bald legt Sostis bei Akrotiri an.
Den letzten Abend verbringt Tobias mit Ingo, Udo, Traude und Tagmar am Strand von Akrotiri. Dort bei Jiorgos und Margarita lässt er diese Reise mit leckerem Lammbraten, Fisch, Tomatokeftedes und Wein ausklingen.

Gruppenfotos